Sechzig Jahre Priester und der letzte Europäer seines Ordens in Indonesien

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P. Hermann Stahlhacke

Sechzig Jahre Priester und der letzte Europäer seines Ordens in Indonesien –Buch über die Lebensgeschichte von P. Stahlhacke.

Gleich zwei glückliche Zufälle kamen im vergangenen Jahr zusammen. Der Heimatverein für das Drolshagener Land wollte auf seiner Homepage unter dem Titel „Drolshagener in aller Welt“ auch die Arbeit von P. Hermann Stahlhacke vorstellen und gleichzeitig fragte dieser nach Daten und Fakten zu Drolshagen für ein Buch an, das ein Mitbruder von ihm zum 100. Jahrestag der Tätigkeit seines Ordens, den „Missionaren von der Heiligen Familie“, schreiben wollte. Daraus entspann sich ein intensiver Austausch per E-Mail und das Material wurde so umfangreich, dass es auf einer Homepage nicht mehr zu veröffentlichen war. Daher entstand der Gedanke, dieses in einem kleinen Buch allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Ein weiterer glücklicher Zufall ist, dass P. Stahlhacke in diesem Jahr sein sechzigjähriges Jubiläum als katholischer Priester feiert, zu dem nun diese Veröffentlichung bestens passt. Der aus Drolshagen stammende P. Hermann Stahlhacke MSF (Missionar von der Heiligen Familie) ist seit 57 Jahren in Indonesien als katholischer Priester tätig. Er ist der letzte europäische Missionar seines Ordens in Indonesien und dort ein Urgestein der seelsorglichen, sozialen und politischen Arbeit. Für ihn ist praktische Seelsorge auch mit leiblichem Wohlstand verbunden, und so kämpft er für den Erhalt der Lebensgrundlagen der Dayak, der einheimischen Bevölkerung auf Kalimantan, für die Rechte der Frauen und brennt in der Fürsorge für die Zukunft der jungen Menschen in seinen Gemeinden. Eine besondere Herzensangelegenheit ist ihm die „Inkulturation“, der Erhalt der Tradition der einheimischen Bevölkerung und die Mitgestaltung der kulturellen und seelsorglichen Arbeit in den Gemeinden durch diese ihre Handwerkskunst, durch ihre Tänze, Lieder und Symbole.


Seit er 1964 in seiner ersten Gemeinde auf Kalimantan, dem indonesischen Teil der Insel Borneo, tätig wurde, hat er regelmäßig neben seinen seelsorglichen Standardaufgaben für die Kinder aus den Dörfern seiner oft 200 Kilometer großen Pfarreien weiterführende Schulen und Internate, indonesisch „asrama“, gebaut. Zwar gibt es so gut wie in allen Dörfern Indonesiens eine Grundschule, doch für eine Weiterqualifizierung hätten die Kinder Tagereisen entfernt über die großen Flüsse der Insel in eine der Städte fahren müssen. So hat er gemeinsam mit evangelischen Christen schon 1965 einen ökumenischen Schulträger gegründet, neue Mittel- und Oberschulen und natürlich „asrama“, gebaut, in denen die Kinder eigenständig und weitgehend selbstverantwortlich leben konnten.

Bereits bei seinem ersten eigenen Einsatz 1965 in Buntok setzte er in den Dorfgemeinden gewählte Laien ein, die er mit verantwortlichen und leitungsbezogenen Aufgaben betraute. So gab es dort Gemeindeälteste, Verwalter für Geldangelegenheiten und Katechisten, mit seelsorglichen Aufgaben wie Taufe oder Beerdigungen sowie Wortgottesdienste beauftragte Männer und Frauen, die zwischen seinen Besuchen das Jahr über das Leben in den kleinen Gemeinden an den Flüssen verantworteten und gestalteten. Alljährlich trafen sich alle für drei Tage zur Evaluierung der Arbeit, der Fortbildung in relevanten Themen und der gemeinsamen Planung.

Ein besonderes Anliegen war und ist bis heute für P. Stahlhacke der Erhalt der Kultur und das Selbstbewusstsein der einheimischen Bevölkerung, die er immer wieder auch in seine seelsorgliche und soziale Arbeit einbinden konnte. Beispiele dafür sind die Kirchenbauten in den Dörfern des Urwalds, bei denen er unter anderem traditionelle Langhäuser zu Kirchen umbaute oder in diesem traditionellen Stil von der Bevölkerung bauen ließ. Eine zufällig auf dem geplanten Kirchengrundstück gefundene überlebensgroße Beluntang-Figur aus einem archaischen Ritual wurde zum Kruzifix. In seiner letzten Gemeinde in Muara Teweh entwarf und baute er eine große und bemerkenswerte Kirche, bei der er wie immer das archaische Symbol der Dayak, den Nashornvogel, und das christliche Kreuz vereinigte.


Diese Achtung vor der eigenen Kultur der Dayak, die keineswegs selbstverständlich ist, fand auch im Alltag Anerkennung und Förderung. So ließ er auch die hohe Kunst des Rattanflechtens oder des Holzschnitzens an die junge Generation weitergeben. Besondere Wertschätzung genossen auch die kultischen Gewohnheiten der Urbevölkerung, die er in seine – auch liturgische – Arbeit einbaute. Statt der in vielen Kirchen westlich-amerikanisch orientierten Dekoration mit buntem Papier ließ er für die Festtage die alte Kunst des Flechtens von Palmblättern wieder aufleben, was die Dayakfrauen mit Begeisterung weiterführten. Mit traditionellen Gesängen und Tänzen aus ihrer traditionellen Liturgie gestalteten Frauen Gottesdienste neu und es entstanden neue Lieder im örtlichen Dayak-Dialekt. Eine Schamanin, die im Dorf für „Totenangelegenheiten“ nach der alten Dayak-Religion zuständig war, hat gemeinsam mit anderen Frauen an Karfreitag ein eigenes Klagelied auf den Tod Jesu gedichtet und gesungen. Der Paderborner Weihbischof Matthias König konnte dies bei seinem Besuch bei P. Stahlhacke erleben und zeigt sich bis heute beeindruckt von seinem Wirken. Auch heute, seit einigen Jahren im Ruhestand, hat er von einem Dayakschnitzer eine Stehle mit der Geschichte seines Ordens in Indonesien nach der traditionellen Art der Einheimischen schnitzen lassen ebenso wie einen prachtvollen Lebensbaum mit den überlieferten Symbolen der Dayak als Tabernakel im neu errichteten Provinzialat. Wesentlichen Einfluss auf Organisation und Charakter seines Ordens hat P. Stahlhacke in den neun Jahren seiner Tätigkeit als Provinzial, als oberster Leiter der Provinz Kalimantan, übernommen. Er organisierte auf Kalimantan die Ausbildung der zukünftigen Ordensmitglieder (Postulanten, Novizen) von Grund auf neu, schaffte eine besondere Form der Gemeinschaft für die im Lande weit verstreut lebenden Ordensmitglieder in einer Art „virtueller Klostergemeinschaft“, errichtete, wo die Provinziale bisher alle Arbeit von einem Tisch ihrer Pfarrei aus regelten, ein eigenes Provinzialat, und baute zusammen mit Ordensmitgliedern aus Yogyakarta ein Weiterbildungssystem auf, das er „Quinquenale“, also einen fünfjährigen, immer wiederkehrenden Zyklus von festen Themen der Theologie, nannte. In dieser Zeit traf er als Vertreter seines Ordens auch in einer Audienz in Rom den damaligen Papst Johannes Paul II.


Nach den neun Jahren als Verantwortlicher im „Führerhaus“, wie er es selbst nannte, ging er als einfacher Gemeindepriester wieder zurück an die Basis. Mit 75 Jahren schied er aus dem offiziellen Pfarrdienst aus, konnte aber noch einige „weltliche“ Aufgaben weiterführen wie den Kampf gegen die ungebremste Ausweitung des Ölpalmenanbaus und der vielen Kohlenminen. Der politische Kampf für die Rechte der oft unterdrückten einheimischen Bevölkerung war ein Leben lang sein Anliegen. Exemplarisch dafür steht sein Engagement in der in Indonesien rechtmäßig anerkannte Organisation „Bina Sumber Daya“, die sich um die Erhaltung der Umwelt als Lebensgrundlage, um Bildung, um ökonomische Hilfen und um die Befreiung von ungerechten Strukturen gemeinsam mit den betroffenen Menschen bemüht. P. Hermann Stahlhacke ist als „Förderer, Unterstützer und Ratgeber“ von Bina Sumber Daya eingetragen. P. Hermann Stahlhacke unterstützte dabei die regionale Arbeit von Andreas Udang, dem Initiator und treibende Kraft der Organisation, und dessen Frau, die als ausgebildete Katechistin in seinen Gemeinden tätig war und die in den Dörfern vor allem mit Frauen arbeitete, um deren Eigenständigkeit zu fördern und zu sichern. Erstmals für seinen Orden hat P. Stahlhacke auch ein kleines Altenheim für Ordensmitglieder auf dem Grundstück des Postulats in Banjarbaru errichtet. Dort verbringt er heute seinen Lebensabend, nicht ohne auch dort weiter aktiv zu sein. Zurzeit führt er mit 88 Jahren die Bauaufsicht für den Umbau der Wohnungen für die Postulanten.


Aus Anlass seines sechzigjährigen Priesterjubiläums und um sein umfangreiches und nicht immer ungefährliches Engagement zu würdigen, ist ein Buch mit seiner Lebensgeschichte erschienen. Über mehr als ein Jahr hat er in einem regen E-Mailverkehr seine wichtigsten Erfahrungen in einer unmittelbaren Sprache mitgeteilt, die im Wortlaut in diesem Buch veröffentlicht sind. In einem Geleitwort zu diesem Buch lobte Weihbischof Matthias König ihn als unermüdlichen Brückenbauer von Hilfe und Fortentwicklung der Missionare von der Heiligen Familie. „Es war … eine Freude, den Pater mit so viel Vitalität und Engagement mitten unter den Menschen zu erleben…Drolshagen hat allen Grund, auf diesen durch die Heimat im Glauben tief geprägten Glaubensboten stolz zu sein.“ Der Vorsitzende des Heimatvereins für das Drolshagener Land Dr. Stephan Schlösser betonte ebenfalls in einem Vorwort: „Ja, Hermann Stahlhacke „wirkt“. So knapp, aber auch so präzise könnte es die Leserin, der Leser der Lebensbeschreibung Hermann Stahlhackes am Ende der Lektüre zusammenfassen.“ Walter Wolf, der ein angeheirateter Neffe von P. Stahlhacke ist, hat dieses Buch herausgegeben. Er hat den Kontakt gehalten, die Texte redigiert und das Buch mit über 80 Fotos gestaltet. Das Buch greift mit dem indonesischen Wort Pemberdayaan, was so viel bedeutet wie „Kraft verleihen, Dynamik geben“, ein Lebensmotto von P. Stahlhacke auf und ist unter dem Titel „Pemberdayaan – eine Lebensgeschichte“ im Buchhandel für 5,90 € erhältlich. Eine E-Bookfassung ist ebenfalls erhältlich

Erste Messfeier von P. Stahlhacke