P. Hermann Stahlhacke in Indonesien

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06.04.2022

Werner Stahlhacke und seine Cousine Gertrud Huckestein

Vortrag von Walter Wolf

Sehr zufrieden äußerten sich die Mitglieder des Vorstands des Heimatvereins für das Drolshagener Land nach dem Vortrag „Bina sumber daya – zur Lebensgeschichte des Drolshagener Pater Hermann Stahlhacke“ am 6. April 2022. Die Unsicherheit, ob nach der pandemiebedingten Pause für die Veranstaltungen des Heimatvereins wieder durchgestartet werden kann, legte sich schnell, als immerhin 30 Personen im Vortragssaal Platz nahmen und gespannt auf die Ausführungen „unseres bekannten Redners“, wie es der Vorsitzende Dr. Stephan Schlösser in seiner Begrüßung formulierte, warteten.

Das frühere Vorstandsmitglied Walter Wolf stellte anhand einer Fülle von historischen und aktuellen Bildern und Dokumenten die Lebensgeschichte des letzten europäischen Missionars von der Heiligen Familie in Indonesien vor und versprach, nach dem Vortrag den reichen Fundus an Gegenständen aus der archaischen Kultur der Dayak, der Urbevölkerung Borneos, ausführlich zu erläutern. In seinen Ausführungen ließ er den Protagonisten mit der Schilderung seines Werdegangs zum Priester selbst zu Wort kommen, indem er aus dem im vergangenen Jahr erschienenen Buch von P. Stahlhacke vorlas, unterstützt durch alte Fotos aus dem Archiv der Familie Stahlhacke.


Walter Wolf ging dann aber über die äußerst spannenden und lebendig geschriebenen Berichte des Missionars hinaus und ordnete sein Tun in die historischen, sozialen, politischen und theologischen Zusammenhänge ein. Immer wieder wurde dabei deutlich, dass P. Stahlhacke bereits vor Abschluss des II. Vatikanischen Konzils dessen Ergebnisse in seiner Praxis vorwegnehmend umsetzte. Bereits Mitte der 60-iger Jahre setzte er Laien als Katechisten und seine Vertretung in den Dörfern seiner 400 km ausgedehnten Gemeinde ein. Immer wieder baute er mit einfachste Mitteln Unterkünfte für Schüler, sogenannte Asramas, damit diese über einen Grundschulabschluss hinaus in den zentral gelegenen weiterführenden Schulen lernen konnten. Pionierarbeit leistete der noch junge Priester auch in der ökumenischen Zusammenarbeit, unter anderem mit der Gründung eines gemeinsamen Schulträgers, der eine qualifiziertere pädagogische Arbeit leistete als die staatlichen Einrichtungen. Dies war, wie so vieles in seinem Wirken, erstmalig für das ganze Land. Auch die Qualifizierung der theologisch nicht ausgebildeten Katechisten trieb er voran. Die von ihm ausgesuchten geeigneten Personen, die in der Mehrzahl aus den Dörfern und Gemeinden stammten, bekamen eine gründliche Ausbildung, die er zum Teil selbst leistete, aber auch durch namhafte Dozenten wie einen Steyler Pater, der eine indonesische Version der Befreiungsteheologie entwickelt hatte. Ein besonderes Anliegen war ihm auch, den Schutz der Kultur der Einheimischen und die Einbindung in das alltägliche und kirchliche Leben. Inkulturation, wie er es nennt, bedeutete, dass die hervorragenden handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten der Menschen nicht versiegten, sondern – wie z.B. die filigrane Flechtkunst – an die nachwachsende Generation weitergegeben wurden. Insbesondere die kultischen Rituale der Kaharinga-Religion transformierte er gemeinsam mit den Protagonisten für den Einsatz in Gottesdiensten und Feierlichkeiten. Dazu ließ er von einer Schamanin den überlieferten Todesgesang der arachischen Religion auf den Tod des Jesus von Nazareth umdichten und diesen an Karfreitag beeindruckend singen. Immer wieder fand der feine traditionelle Tanz Eingang in die Liturgie. Auch in den vielen, von ihm geplanten und errichteten Kirchenbauten fanden Bauart und künstlerischer Ausdruck der Dayak Eingang. Übernahm er zu Anfang seiner Tätigkeit noch leerstehende traditionelle Gebäude, die er zu Kirchen umbaute, so stand am Ende ein von ihm selbst entworfenes und errichtetes großes Gotteshaus in Muara Teweh. Wie zu den Anfangszeiten seiner Tätigkeit wurde der meist filigran geschnitzte mythische Nashornvogel der Dayak zusammen mit dem christlichen Kreuz in den Giebel der Kirchen plaziert.


Als engagierter Umweltschützer beteiligte er sich an der in Indonesien bekannten und anerkannten Bewegung „Bina sumber daya – die Quellen unserer Kraft“ auch im politischen Raum, wie er es auch noch heute im Ruhestand im Kampf gegen illegalen Kohleabbau und Ölpalmplantagen praktiziert. Zu dem sozialen Engagement gehört auch, dass er junge Menschen und Familien unterstützt, damit diese meist aus einfachen Verhältnissen stammenden jungen Männer und Frauen auch studieren können, und nicht nur Theologie, sondern auch Kulturwissenschaften oder für einen Lehrerberuf. Seinen Lebensabend verbringt der fast 90-jährige im Unruhestand, betreut er doch den Umbau eines Ordenhauses, in dem junge Männer sich auf ein Leben im Orden vorbereiten und in dem erstmals auch im Ruhestand befindliche Ordensleute einen ihnen zustehenden Ort und Betreuung erfahren. Dies hat er nicht für sich gemacht, kann aber dort seinen Ruhestand genießen.

Der Referent Walter Wolf stellte dieses Wirken mit eigenen Bildern, die er bei einem Aufenthalt in Kalimantan erstellt hatte sowie aus dem reichen Fundus des Paters vor. Einigen Interessierten erklärte er in der spontanen Ausstellung die zum Teil sehr wertvollen, weil ansonsten unwiederbringlich verloren gegangenen Gegenstände der archaischen Kultur der Dayak vor wie Blasrohr, Schwerter, eine Schamanenkette, ein besonders Beil, Stoffe und aus Rattan geflochtene Taschen und Körbe. Zu den Zuhörern gehörte auch der letzte noch lebende Bruder des Paters, der 95-jährige Werner Stahlhacke, den der Vorsitzende des Heimatvereins auch besonders begrüßte.

Der Vortrag war, so die Teilnehmer in einer abschließenden Runde in der Gaststube des Heimathauses, mit zwei Stunden schon lang, aber an keiner Stelle langweilig. Und so war auch der Start in die neue Saison für den Heimatverein für das Drolshagener Land gelungen.
Das Buch von P. Stahlhacke „Pemberdayaan – eine Lebensgeschichte“ ist weiterhin im Buchhandel erhältlich.